• Linguistische Treffen in Wrocław •

ISSN: 2084-3062 • e-ISSN: 2657-5647 • DOI: 10.23817/lingtreff • Absprungrate: 35% (2023)

Zur Pragmatik von Fachsprachen am Beispiel der „Anstandsliteratur“ / On the Pragmatics of Specialized Languages on the Example of the Rules of Conduct

Peter Ernst, Universität Wien (ORCID: 0000-0001-6733-2665)

DOI: 10.23817/lingtreff.21-5 (online zugänglich: 2022-07-06)

S. 89–100

Schlüsselwörter: Anstandsregeln, Fachsprache, Gesellschaft, Karriereratgeber, Pragmatik, Soziolinguistik

Fachsprachen stellen besondere Erfordernisse an die Linguistik. In den 1960er und 1970er Jahren entstanden, existiert bis heute keine allgemeiner Konsens über Inhalte und Methoden der Fachsprachenforschung. Gegenwärtige Forschungsdesigns vereinen systemlinguistische, kognitive und pragmatische Ansätze. Systemlinguistisch steht vor allem der Wortschatz im Vordergrund; kognitiv ist die Basis des Wissens um die reale Welt und ihre sprachliche Kodierung; die Pragmatik betrachtet die Umstände der Kommunikation. Der Beitrag thematisiert diese Problematik, indem er die Textsorte „Anstandsliteratur“ näher betrachtet. Diese Art von Kommunikation unterliegt besonderen Bedingungen, indem eine „Lehrerin“ oder ein „Lehrer“ ihre oder seine Kompetenzen zu Benimmregeln an eine interessierte Zielgruppe weitergibt. Neben einem Buch für ein allgemeines Publikum wird die fachsprachliche Komponente durch die Wahl dreier fachspezifischer Anstandslehren (explizit für die Anwendung in Kanzleien, v.a. von Rechtanwälten, für Unternehmensberater und Trainees) besonders betont. Alle firmieren unter der Bezeichnung „Knigge“, was den Anlass darstellt, sie zu einem Korpus zusammenzufassen. Die Analyse zeigt, dass sich die vier Werke z. T. erheblich voneinander unterscheiden. Sie verwenden keinen gesonderten Fachwortschatz, keine idiosynkratischen syntaktischen Strukturen, sehr wohl aber referieren sie auf unterschiedliche Kommunikationsbedingungen. Bis auf das allgemeine Werk handelt es sich eher um „Karriereratgeber“ statt um Benimmlehren. Trotzdem können sie in kognitivem und pragmatischem Sinn als Fachsprache bezeichnet werden, da sie ein spezifisches „Fach“ behandeln. Sie stellen aber kein geschlossenes System dar, indem sie offen für Neuerungen und spezifische Vorschläge der Autorinnen und Autoren sind. So wird das „Kompliment“ nur in einem Werk explizit genannt. In diesem Sinn bilden Sie nicht nur Handlungsfelder ab, sondern konstruieren durch ihre Vorschläge selbst einen Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit.

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