• Linguistische Treffen in Wrocław •

ISSN: 2084-3062 • e-ISSN: 2657-5647 • DOI: 10.23817/lingtreff • Absprungrate: 35% (2023)

Der adnominale possessive Dativ im Dialekt von Deutschpilsen (ungarisch Nagybörzsöny) / The Adnominal Possessive Dative in the Dialect of Deutschpilsen (Nagybörzsöny)

Éva Márkus, Eötvös Loránd Universität (ORCID: 0000-0002-3571-8472)

DOI: 10.23817/lingtreff.21-8 (online zugänglich: 2022-07-06)

S. 129–142

Schlüsselwörter: Dativ+Possessiv-Konstruktion, Dialekt, Sprachinsel, Genusinkongruenz

Der Artikel beschäftigt sich mit der adnominalen Dativ+Possessiv-Konstruktion des Typs in Bęəbən ir Gətrax (‚den Weibern ihre Tracht = die Tracht der Weiber‘) und ihren verschiedenen Varianten im deutschen Dialekt von Deutschpilsen, einer kleinen ungarischen Sprachinsel im Norden Ungarns. Es ist eine mittelalterliche Ansiedlung, früher beschäftigten sich ihre Einwohner vor allem mit Bergbau und kamen wahrscheinlich aus dem Süden sowie aus dem mittleren Osten des deutschen Sprachgebiets. Es entstand eine Mischmundart. Der Basisdialekt des abgelegenen Dorfes bewahrt bis heute viele archaische Elemente. Gegenwärtig ist die Mundart vom Aussterben bedroht, sie ist eine Alters- und Erinnerungssprache geworden. Die adnominale Dativ+Possessiv-Konstruktion hat eine breite Fachliteratur, der Artikel möchte dazu ergänzend neue Erkenntnisse präsentieren. Die Analyse erfolgt an empirisch gesammelten sprachlichen Daten, die mit Hilfe eines Fragebuchs in Deutschpilsen aufgenommen wurden. Die InformantInnen waren ältere DorfbewohnerInnen, die die Mundart noch als Muttersprache beherrschen. Ein besonderes Augenmerk wird gesetzt auf das Thema Genus und pronominale Referenz in der Dativ+Possessiv-Konstruktion. Es wird der Konflikt zwischen grammatischem und referentiellem Genus, wie im Beispiel in Hoz iər Gartn (‚dem Haus ihr Garten = der Garten des Hauses‘) dargestellt. Für diese grammatische Diskrepanz (neutraler Artikel, feminine Pronominalisierung) wird nach Begründungen in der Fachliteratur gesucht. Die Genuskongruenz zwischen Antezedens und Possessivum ist im untersuchten Dialekt oft aufgehoben, es können Inkongruenzen zwischen dem Artikel und Pronomen entstehen. Es lassen sich inkongruente Formen mit Referenz auf ein Maskulinum oder Neutrum beobachten. Besonders auffällig sind die Varianten mit maskulinem/neutralem Artikel und femininem Possessivpronomen: ən Knab iər Štim (‚einem Knaben ihre Stimme = die Stimme eines Knaben‘). In der dialektologischen Fachliteratur habe ich keine ähnlichen Belege gefunden. Der Artikel dokumentiert und beschreibt drei Arten der adnominalen Dativ+Possessiv-Konstruktion und illustriert sie mit Beispielsätzen aus Deutschpilsen. Auch das in der Fachliteratur vieldiskutierte Verhältnis von Genitiv und possessivem Dativ wird in ein neues Licht gerückt.

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